Gräber als Trost spendende Trauerorte
Der Eingang zum Campus Vivorum in Süßen. Foto: Karres en Brands
Von Tobias Blaurock
Wie können örtliche Friedhöfe die Fürsorgeverantwortung von Kommunen und Kirchen für ihre Bürger und Gemeindemitglieder wirksam werden lassen? Gräber und Friedhöfe könnten Hinterbliebenen bei der Verarbeitung des Verlustes geliebter Angehöriger viel besser helfen, als das an vielen Grabformen aktuell zu spüren ist. Das hat die Initiative „Raum für Trauer“ in Süßen näher erforschen lassen.
Im Ergebnis ruft sie dazu auf, Gräber aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten – als hilfreiche, Trost spendende Trauerorte, an denen Menschen ihrer Trauer und Sehnsucht nach den Verstorbenen Ausdruck verleihen dürfen und sie so lindern können. Die Initiative rät Angehörigen und Vorsorgenden dazu, das rechtzeitig im Kreis der Familie zu besprechen.
Denn bei einigen modernen, pflegefreien Beisetzungsformen sind wichtige Trauerrituale, wie das Ablegen von Blumen und Erinnerungsstücken, verboten. Das führt im Nachgang oft zu emotionalen Konflikten, die die Trauerverarbeitung stören können.
„Der Beisetzungsort kann als Trauerort den Angehörigen dienen“ weiß Günter Czasny, Sprecher der Initiative. „Menschen brauchen auf Friedhöfen Handlungsräume, die ihre unterschiedlichen emotionalen Zustände berücksichtigen und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund rücken.“
Die Beisetzungsorte selbst sollten – auch bei pflegefreien Grabformen – von Trauernden so in Anspruch genommen, gestaltet und gehandhabt werden dürfen, wie sie es für die Bewältigung ihrer Trauer wünschen. Als solchermaßen bedürfnisorientierte Trauerorte gestaltet, können sie eine wichtige psychologische Unterstützung sein. Zusätzlich sollten Friedhöfe auch öffentliche Räume, beispielsweise für Begegnung, Austausch, die Integration anderer Kulturen, Naturerlebnisse, auch für Kinder oder kollektive Trauer bieten. Kurz nach dem Tod von Angehörigen sind Hinterbliebene oft überfordert. Sich für eine Grabform, die der jeweiligen Familiensituation entspricht und zugleich den verschiedenen Phasen der Trauer gerecht wird, zu entscheiden, erfordert aber Weitblick.
Günter Czasny: „Jeden Verlust erleben wir anders, zudem verläuft Trauer sehr individuell und kaum vorhersehbar. Wir wissen vorher nicht, wie stark uns ein Verlust trifft, was er mit uns macht und welches Handlungsbedürfnis er in uns auslöst. In Krisen helfen uns oft Rituale. An Beisetzungsorten, an denen solche persönlichen Trauerhandlungen nicht erlaubt sind, entstehen oft Probleme. Das ist nicht nur bei vielen pflegefreien Grabformen auf Friedhöfen so, sondern auch grundsätzlich in allen Beisetzungswäldern.“
Entscheidend sei, dass künftig auch pflegefreie Gräber angeboten werden, an denen es Trauernden erlaubt ist, persönliche Grüße direkt am Beisetzungsort abzulegen.
Czasny stellt sich den Friedhof der Zukunft als lebendigen Ort der Fürsorge vor: „Es wäre schön, wenn wir uns vorstellen können, als Freundeskreis, Stammtisch oder Vereinskollegen uns auf dem Friedhof der Zukunft zusammenzufinden, um bei einem kleinen Picknick, Umtrunk und gemütlichen Plausch einen verstorbenen Freund zu besuchen und in unsere Mitte zu nehmen. Denn auch in diesem Miteinander am Grab liegt heilsame Kraft.“
Die Initiative Raum für Trauer hat mit maßgeblicher Unterstützung der Kunstgießerei Strassacker, Süßen, einen Impulsort geschaffen, der ermutigen soll, Friedhöfe zukünftig psychologisch wirksam und gesellschaftlich verbindend zu gestalten: Als weltweit erstes Labor- und Experimentierfeld zur Friedhofsentwicklung wurde – zusammen mit internationalen Expertenteams – der Campus Vivorum in Süßen eröffnet.
Der Campus Vivorum ist nach Terminabsprache zu besichtigen (https://raum-fuer-trauer.de/campus-vivorum/, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.).